Historische Soziolinguistik des Deutschen
Projektskizze
Im Mittelpunkt des Projektes steht der Mensch als in konkrete historische Situationen eingebundenes sprachhandelndes Subjekt. Im historischen Kontext sind soziale Schicht, soziofunktionale Gruppe, soziales Geschlecht und Individuum als solche Subjekte aber nur über den verschrifteten Text zu fassen. Nur über derartige Texte und Textkorpora kann folglich ihr Umgang mit Kommunikationsformen, Textsorten und sprachlichen Mitteln aufgedeckt werden, lassen sich Aussagen über von ihnen bevorzugte Vertextungsstrategien und über ihre sprachliche Kompetenz entwickeln oder Rückschlüsse auf ihren Platz im sprachhistorischen Prozeß – so über ihre Teilhabe am Sprachwandel, an der Verschriftlichung des Lebens, an der Ausbildung und Tradierung von Sprachnormen und Sprachhandlungsnormen – ziehen. Eines der Hauptanliegen ist die linguistische Erschließung von Texten jener sozialen Gruppen, die sich nur berufsbegleitend oder nur privat oder nur ganz ausnahmsweise schriftlich geäußert haben.
Die große Offenheit und Vielschichtigkeit des Projekts bringt es mit sich, daß es unzählige Zugänge bietet und die Palette der zur Diskussion gestellten Forschungsergebnisse sehr bunt ist. Sie berühren das 14. wie das 20. Jahrhundert, die Varietätenwahl von Gelehrten wie von Bewohnern ländlicher Gebiete, die Äußerungen von Männern und Frauen, sprechsprachnahe wie sprechsprachferne Textsorten, den Umgang mit der deutschen Muttersprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz wie in fernen deutschen Sprachinseln.
Das Projekt lebt von Beiträgen, die in sehr unterschiedlichen Forschungszusammenhängen entstehen, und wird getragen von WissenschaftlerInnen, die zumeist in andere Forschungsprojekte fest eingebunden sind. Das hier vorgestellte Projekt verwirklicht sich in den Rostocker Konferenzen wie in dem Widerhall, den sie im In- und Ausland finden, und in seinen Ablegern, die – wie die anderen drei in diesem Prospekt vorgestellten Projekte – eigene Schwerpunkte im großen Forschungsbereich der historischen Soziolinguistik des Deutschen setzen.
Konferenzen
– Rostock, Sept.1992: Forschungsansätze – Korpusbildung – Fallstudien;
– Frankfurt/Oder, Sept. 1994: Sprachgebrauch in soziofunktionalen Gruppen und in Textsorten;
– Rostock/Kühlungsborn, Sept. 1996: Sprachgebrauch und sprachliche Leistungen in sozialen Schichten und soziofunktionalen Gruppen;
– Rostock, Sept. 1998: Soziofunktionale Gruppe – kommunikative Anforderungen – Sprachgebrauch;
– Rostock, Sept. 2000: Soziofunktionale Gruppe und sozialer Status als Determinanten des Sprachgebrauchs;
– Rostock, Sept. 2002: Kommunikative Anforderungen – Textsorten – Sprachgebrauch in soziofunktionalen Gruppen;
– Rostock, Sept. 2004: Soziofunktionale Determinanten des Sprachgebrauchs;
– Dresden, Sept. 2006: Soziale Gruppe, soziofunktionale Gruppe, ethnische Gruppe. Differenzierende und stabilisierende Faktoren des Sprachgebrauchs;
– Dresden, Sept. 2008: Neue Forschungsansätze – Fallstudien – Reflexe konzeptueller Mündlichkeit in Schriftzeugnissen verschiedener soziofunktionaler Gruppen;
– Pécs, Sept. 2010: Historisch-Soziolinguistische Forschungen als Beiträge zur Optimierung der deutschen Sprachgeschichtsschreibung.
Mit der Tagung in Pécs wurde die Konferenzreihe beendet.
Publikationen
Konferenzbände
BRANDT, Gisela (Hg.): Historische Soziolinguistik des Deutschen. I-X. Stuttgart 1994; 1995; 1997; 1999; 2001; 2006; 2006; 2007; 2009; 2011.
(I – S.A.G. Nr.283, ISBN 3-88099-287-8; II – S.A.G. Nr.324, ISBN 3-88099-328- 9; III – S.A.G. Nr.351, ISBN 3-88099-356-4; IV – S.A.G. Nr.372, ISBN 3-88099-777-7; V – S.A.G. Nr.398, ISBN 3-88099-403-X; VI – S.A.G. 434, ISBN 3-88099-439-0; VII – S.A.G. 436, ISBN 3-88099-441-2; VIII – S.A.G. 439, ISBN 3-88099-444-7; IX – S.A.G. 449, ISBN 978-3-88099-454-6; X – S.A.G. 454, ISBN 978-3-88099-459-1)
BRANDT, Gisela ( Hg.): Bausteine zu einer Geschichte des weiblichen Sprachgebrauchs I-IX. Stuttgart 1994; 1996; 1998; 2000; 2002; 2004; 2006; 2008; 2010.
(I – S.A.G. Nr.299, ISBN 3-88099-303-3; II – S.A.G. Nr.341, ISBN 3-88099-346-7; III – S.A.G. Nr.368, ISBN 3-88099-368-8; IV – S.A.G. Nr.380, ISBN 3-88099-385-8; V – S.A.G. Nr. 403, ISBN 3-88099-408-0; VI – S.A.G. Nr. 418, ISBN 3-88099-423-4; VII – S.A.G. Nr. 435, ISBN 3-88099-440-4; VIII – S.A.G. Nr.445, ISBN 978-3-88099-450-8; IX – S.A.G. Nr. 451, ISBN 978-3-88099-456-0)
BRANDT, Gisela (Hg.): Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache im Baltikum I-IX. Stuttgart 1996; 2000; 2003; 2005; 2007.
(S.A.G. Nr.339, ISBN 3-88099-344-0; S.A.G. Nr. 378, ISBN 3-88099-383-1; S.A.G. Nr. 412, ISBN 3-88099-417-X; S.A.G. Nr. 427, ISBN 3-88099-432-3; S.A.G. Nr. 440, ISBN 3-88099-445-4)
Sammelbände
BRANDT, Gisela/RÖSLER, Irmtraud (Hg.): Zu Stellenwert und Bewältigung soziolinguistischer Fragestellungen in aktuellen germanistischen sprachhistorischen Forschungen (Beiträge zum wissenschaftlichen Kolloquium Rostock 30.11. und 1.12.1987). Linguistische Studien, Reihe A, Arbeitsberichte 178. ZISW Berlin 1988.
BRANDT, Gisela/HÜNECKE, Rainer (Hg.): „Wie redet der Deudsche man jnn solchem fall?“ Studien zur deutschen Sprachgeschichte. Festschrift anläßlich des 65. Geburtstages von Erwin Arndt. Stuttgart 1996. (S.A.G. Nr.318, ISBN 3-88099-322-X)
BRANDT, Gisela (Hg.): Sprachgebrauch in varianten sozio-kommunikativen Bezügen. Soziolinguistische Studien zur Geschichte des Neuhochdeutschen. Stuttgart 1994. (S.A.G. Nr.293, ISBN 3-88099-297-5)
Monographien
Brandt, Gisela: Thomas Müntzers sprachliches Wirken im 16., 17. und 18. Jahrhundert über die Hymnen des „Deutschen Kirchenamtes“ (1523). Göppingen 1992. (G.A.G. Nr. 574, ISBN 3-87452-816-2)
BRANDT, Gisela: Ursula Weyda – prolutherische Streitschriftautorin 1524. Soziolinguistische Studien zur Geschichte des Neuhochdeutschen. Stuttgart 1997. (S.A.G. Nr. 358, ISBN 3-88099-363-7)
HÜNECKE, Rainer und Ulrike: „Ich, die unterzeichnete Witwe …“ Frauen aus Tharandts Geschichte schreiben an die Obrigkeit. Tharandt 1997.
RÖSLER, Irmtraud: Satz – Text – Sprachhandeln. Syntaktische Normen der mittelniederdeutschen Sprache und ihre soziofunktionalen Determinanten. Heidelberg 1997. (ISBN 3-8253- 0548-1)
BRANDT, Gisela: Ursula Pfaffinger, Agnes Sampach, Elisabeth Kempf, Caritas Pirckheimer u.a. – Chronistinnen von Amts wegen. Soziolinguistische Studien zur Geschichte des Neuhochdeutschen. (S.A.G. 447) Stuttgart 2008. (ISBN 978-3-88099-452-2)
HÜNECKE, Rainer: Institutionelle Kommunikation im kursächsischen Bergbau des 18. Jahrhunderts. Akteure – Diskurse – soziofunktional geprägter Schriftverkehr. Heidelberg 2010. (ISBN 978-3-8253-5679-8)
BRANDT, Gisela: Christine Ebner und andere Ordensfrauen im hagiographisch-historiographischen Diskurs des 14. Jahrhunderts. Soziolinguistische Studien zur Geschichte des Neuhochdeutschen. 2 Teilbände. (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 458) Stuttgart 2013. (ISBN 978-3-888099-463-8)
Aufsätze
Gibt es Textsorten bedingte syntaktische Variation in Thomas Zweifels Bauernkriegschronik? In: Anna Just/Piotr Owsinski (Hgg.): Das sprachliche Handeln in den kleinen Kanzleien. Akten der 10. Tagung des Arbeitskreises Kanzleisprachforschung, Warschau, 9. bis 10. September 2019. (= PHILOLOGIA. Sprachwissenschaftliche Forschungsergebnisse, Bd. 256) Hamburg 2021, S. 27-64.